Die wahren Einflussnehmer auf die Politik des Regimes von Ahmad al-Schar’a

آدمن الموقع
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Regelpunkt. Team für geostrategische Studien
Nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes und der Machtkonsolidierung durch Ahmad al-Sharʿa (Abu Muhammad al-Dschulani) ist Syrien in eine neue Phase eingetreten, in der sich regionale und internationale Interessen in komplexer Weise überschneiden. Diese Studie untersucht, wie die Türkei, Katar und ausgewählte westliche Akteure die neue Machtkonfiguration in Damaskus geformt und beeinflusst haben. Dabei wird argumentiert, dass dieses entstehende System weder den vollständigen Sieg eines islamistischen Modells noch eine nationalistische Wiedergeburt darstellt, sondern eine hybride Ordnung, die aus geopolitischen Verhandlungen und kontrollierter Instabilität hervorgegangen ist. 
 
Einleitung

Der Fall des Regimes von Baschar al-Assad markierte das Ende einer Ära autokratischer Kontinuität und den Beginn einer tiefgreifenden Neustrukturierung der Machtverhältnisse im Nahen Osten. In den vergangenen elf Monaten hat sich Ahmad al-Sharʿa, besser bekannt als Abu Muhammad al-Dschulani, als zentrale Figur etabliert, die das politische und militärische Gefüge kontrolliert, das nun Damaskus und große Teile der ehemaligen Regimegebiete beherrscht.
Dieser Übergang war jedoch weder spontan noch ausschließlich ein innerstaatlicher Prozess. Die neue syrische Machtordnung ist tief eingebettet in ein Netzwerk regionaler Konkurrenz und äußerer Einflussnahme – insbesondere durch die Türkei, Katar und, wenn auch diskreter, durch westliche Akteure. 
 
Die strategische Berechnung der Türkei

Das Engagement der Türkei in der Nach-Assad-Ära gründet sich auf ihre langjährige sicherheitspolitische Doktrin, die darauf abzielt, eine kurdische Autonomie in Nordsyrien zu verhindern. Ankaras politische Annäherung an al-Dschulanis Verwaltung ist daher weniger ideologisch motiviert, sondern Ausdruck einer pragmatischen Neupositionierung.
Durch nachrichtendienstliche Kooperation, logistische Unterstützung und wirtschaftliche Integration hat die Türkei die neue syrische Autorität in ihre regionale Sicherheitsarchitektur eingebettet. Damit bleibt die neue syrische Führung strukturell von Ankara abhängig – ein bewusst geschaffenes Kräfteverhältnis, das der Türkei ermöglicht, als Vermittler und Kontrollmacht zugleich zu agieren.
In dieser Logik dient das Damaskus des al-Dschulani der Türkei als Pufferzone und Verhandlungsinstrument – ein kontrolliertes Machtzentrum, das sowohl kurdische als auch westlich orientierte Alternativen in Schach hält.
 
Katars ideologischer und strategischer Einfluss

Katars Rolle in der neuen syrischen Ordnung ist sowohl ideologisch als auch geopolitisch motiviert. Das Emirat, das seit Jahrzehnten islamistische Bewegungen in der Region unterstützt, betrachtet die Stabilisierung des Systems von al-Dschulani als Chance, seinen Einfluss über sunnitische Netzwerke aufrechtzuerhalten.
Durch finanzielle Hilfe, humanitäre Projekte und mediale Präsenz versucht Doha, die neue syrische Autorität als stabilisierende sunnitische Alternative zu legitimieren. Im Gegensatz zur Türkei verfolgt Katar weniger sicherheitspolitische als vielmehr ideologische und diplomatische Ziele: Die Integration in die neue Machtstruktur dient der Ausweitung seiner „Soft Power“ und der Etablierung eines Modells, das islamisch geprägte Verwaltung mit internationaler Anerkennung verbinden soll. 
 
Die ambivalente Rolle westlicher Akteure

Obwohl westliche Staaten bisher keine offizielle Anerkennung der Verwaltung von al-Dschulani ausgesprochen haben, deuten verschiedene Indizien auf eine wachsende stille Annäherung hin. Für zahlreiche westliche Entscheidungsträger bietet die neue Macht in Damaskus eine strategische Gelegenheit, iranischen Einfluss einzudämmen und den russischen Handlungsspielraum zu begrenzen.
Diskrete Kontakte, begrenzte Sicherheitskooperation und explorative diplomatische Gespräche zeigen, dass der Westen zunehmend bereit ist, sich mit der „Post-Assad-Realität“ auseinanderzusetzen. Al-Dschulanis Syrien wird dabei nicht mehr primär als Bedrohung, sondern als potenzieller Stabilitätsfaktor in einem kontrollierten geopolitischen Rahmen betrachtet – insbesondere im Hinblick auf Terrorismusbekämpfung und Migrationssteuerung. 
 
Schlussfolgerung

Die neue syrische Ordnung unter Ahmad al-Sharʿa ist kein spontanes Revolutionsprodukt, sondern das Ergebnis gezielter regionaler Ingenieurskunst. Die sicherheitspolitische Pragmatik der Türkei, Katars ideologische Investition und die geopolitische Anpassung westlicher Akteure haben gemeinsam ein hybrides, jedoch funktionsfähiges System hervorgebracht.
Dieses „neue Damaskus“ steht für ein Paradox: Es markiert zugleich das Ende des alten Baath-Staates und den Beginn einer Phase regionaler Abhängigkeit. Die Balance der Einflüsse, die al-Dschulanis Macht stützt, stellt sicher, dass Syriens Souveränität auch weiterhin von äußeren Agenden geprägt bleibt.
Die langfristige Stabilität dieser Ordnung wird davon abhängen, ob die neue Führung es schafft, externe Abhängigkeiten in interne Legitimität zu überführen – eine Herausforderung, die die politische Zukunft Syriens im kommenden Jahrzehnt bestimmen dürfte.

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