„Damaskus zwischen kurdischer Integration und dem salafistischen Emiratstraum“

آدمن الموقع
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Regelpunkt. Team für geostrategische Studien
Die Regierung al-Schar’ zwischen dem Albtraum der Integration und dem Zwang der Ideologie: Bedeutet die Eingliederung der Kurden und der Syrischen Demokratischen Kräfte das Ende des salafistischen Emiratstraums in Damaskus?
 
Seit Damaskus unter die Herrschaft der al-Schar’-Autorität unter der Führung von al-Dschulani gefallen ist, hat sich die syrische Hauptstadt zu einem Zentrum eines politischen Experiments entwickelt, das in der modernen Geschichte des Landes seinesgleichen sucht. Nach dem Zusammenbruch des Baath-Assad-Regimes, das Syrien jahrzehntelang dominierte, entstand kein politisches Vakuum, sondern ein Übergang von einem nationalistisch geprägten Autoritarismus hin zu einer hybriden salafistischen Ordnung. Diese neue Autorität versucht, sich als staatliches Übergangsmodell oder als funktionale Verwaltung zu präsentieren, bleibt jedoch im Kern ideologisch an das Projekt eines islamischen Emirats gebunden. Während sie einerseits staatliche Institutionen nach außen hin aufbaut, gründet sie ihre Legitimität auf eine eng definierte sunnitisch-salafistische Grundlage, die mit jedem pluralistischen Gesellschaftsmodell unvereinbar ist – insbesondere mit dem politischen Projekt, das von den Kurden und den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) vertreten wird und heute als zentraler Akteur für die Zukunft Syriens gilt.

Die entscheidende Frage lautet nun, ob die al-Schar’-Regierung den Mut hat, eine echte Integration der Kurden und der SDF in die staatlichen Institutionen zuzulassen, oder ob sie weiterhin in ihrer rigiden ideologischen Selbstdefinition gefangen bleibt, die Pluralismus als existenzielle Bedrohung versteht. Dabei geht es nicht nur um militärische Koordination oder Machtteilung, sondern um eine tiefere Neubestimmung der Identität des syrischen Staates, der Staatsbürgerschaft und der Souveränität auf der Grundlage echter Partnerschaft. Hier liegt die eigentliche Angst: Eine Integration würde das Fundament zerstören, auf dem die al-Schar’-Autorität ruht – nämlich die Idee eines salafistischen Emirats mit Damaskus als Zentrum, gegründet auf religiöser Exklusivität und der Ablehnung anderer Identitäten.

Die Kurden sind längst kein Randfaktor mehr, der wie in früheren Jahrzehnten ignoriert oder gewaltsam unterdrückt werden könnte. Ihre Erfahrungen in Nord- und Ostsyrien – durch die SDF und die Autonome Selbstverwaltung – haben eine neue Realität geschaffen, die politisch, gesellschaftlich und militärisch nicht mehr zu übergehen ist. Diese Realität gründet auf Anerkennung von Sprachen, kulturellen Rechten, auf Gleichstellung der Frauen und dem Aufbau lokaler Institutionen mit einem relativen Maß an Demokratie. Schon die bloße Vorstellung, die SDF in die Institutionen Syriens zu integrieren, bedeutet, diese Werte ins Zentrum des Staates zu tragen. Für die al-Schar’-Autorität ist dies kein administratives Problem, sondern ein existenzieller Albtraum: Eine solche Integration würde den Traum vom Emirat nicht nur schwächen, sondern auf Dauer vernichten.

Die Regierung in Damaskus versucht heute, ein prekäres Gleichgewicht zu halten: einerseits Pragmatismus und staatliche Effizienz nach außen zu signalisieren, andererseits ihre ideologische Basis mit einem starren salafistischen Diskurs zu festigen. Gerade die Integrationsfrage legt diesen inneren Widerspruch offen. Wie könnte ein Regime, das sich auf religiöse Exklusivität stützt, eine kurdische Identität anerkennen, die Sprache, Kultur und nationale Rechte betont? Wie könnte eine Machtstruktur, die die Scharia als zentrales Legitimationsprinzip verankert, ein politisches Projekt akzeptieren, das Gleichstellung der Geschlechter institutionalisiert und Minderheiten eine echte Rolle im Entscheidungsprozess einräumt?

Diese Widersprüche führen zu einem historischen Paradoxon: Lehnt die al-Schar’-Regierung die Integration ab, reproduziert sie die altbekannten Muster von Ausgrenzung und Konflikt, die Syrien stets ins Chaos gestürzt haben, und riskiert damit erneut die Fragmentierung des Landes. Akzeptiert sie jedoch die Integration, müsste sie ihre ideologische Grundlage aufgeben und sich radikal transformieren – was praktisch das Ende des salafistischen Emiratstraums bedeuten würde. Integration ist somit gleichzeitig unmöglich und unvermeidbar: unmöglich aus Sicht der Ideologie, unvermeidbar aus Sicht der politischen Realität.

Die Lage wird zusätzlich durch regionale Faktoren verkompliziert. Eine Integration der SDF durch Damaskus würde zwangsläufig zu einer offenen Konfrontation mit der Türkei führen, die jede Anerkennung kurdischer Strukturen als existenzielle Bedrohung ansieht. Gleichzeitig würde eine Verweigerung der Integration eine Konfrontation mit den USA und den westlichen Staaten nach sich ziehen, die die SDF als zentralen Partner im Kampf gegen den Terrorismus betrachten. So ist die al-Schar’-Regierung zwischen widersprüchlichen Kräften gefangen: dem internationalen Druck, der zur Öffnung gegenüber den Kurden zwingt, und den regionalen Allianzen, die Feindschaft gegenüber ihnen verlangen.

Die grundlegende Frage lautet daher nicht nur, ob die al-Schar’-Regierung die Integration der Kurden und der SDF fürchtet, sondern ob sie überhaupt in der Lage ist, ihre ideologische DNA zu überwinden und sich in einen nationalen Staat zu verwandeln. Die politische Geschichte Syriens seit der Unabhängigkeit war stets eine Geschichte von Projekten der Exklusion – sei es nationalistisch oder religiös – im Widerstreit mit der vielgestaltigen Realität der Gesellschaft. Jeder Versuch, ein homogenes Modell aufzuzwingen, endete im Konflikt. Heute scheint die al-Schar’-Autorität diese Spirale zu wiederholen, indem sie ein salafistisches Projekt auf eine heterogene Gesellschaft projiziert und vor der unausweichlichen Aufgabe steht: die Kurden und die SDF als gleichberechtigte nationale Partner anzuerkennen.

Integration ist somit kein technisches Verhandlungsdetail, sondern der Lackmustest für die Fähigkeit von Damaskus, sich in eine nationale Hauptstadt zu verwandeln. Wird sie verweigert, bleibt Damaskus im Gefängnis des salafistischen Emiratstraums gefangen, der an seiner eigenen Ausschließlichkeit zerbrechen wird. Wird sie hingegen akzeptiert, beginnt ein schwieriger Transformationsprozess, der jedoch die einzige Chance bietet, den syrischen Staat vor der endgültigen Zersplitterung zu retten. Was die al-Schar’-Regierung am meisten fürchtet, ist nicht die militärische Stärke der SDF, sondern die Ideen, die sie verkörpern: Pluralismus, Gleichberechtigung, Partnerschaft. Wenn diese Ideen nach Damaskus gelangen, werden sie den Emiratstraum, der auf Verleugnung und Ausgrenzung basiert, unwiderruflich beenden.

Der Kampf um Integration ist damit im Kern ein Kampf um Identität und Existenz. Es ist der Konflikt zwischen zwei Visionen Syriens: einer geschlossenen, monolithischen salafistischen Emiratsvorstellung der al-Schar’-Regierung und einem offenen, pluralistischen Staat, den die Kurden, die SDF und andere gesellschaftliche Kräfte anstreben. Der Ausgang dieses Konflikts wird nicht nur die Gestalt des syrischen Staates bestimmen, sondern auch die historische Rolle von Damaskus neu definieren. Wird es eine Geisel des salafistischen Emiratstraums bleiben, oder sich zu einer nationalen Hauptstadt entwickeln, die die unumkehrbare Pluralität Syriens widerspiegelt? Die Antwort auf diese Frage wird das nächste Kapitel der syrischen Geschichte schreiben und über das Schicksal der al-Schar’-Regierung und ihres brüchigen Traums im Schatten des Integrationsalbtraums entscheiden.

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