Die internationale Koalition und die anhaltende Notwendigkeit der Syrischen Demokratischen Kräfte in einer Zeit grauer Kompromisse

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Politische Analyse von Ibrahim M. Kaban
Vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Umbrüche im syrischen Kontext lässt sich die Unterstützung für die Syrischen Demokratischen Kräfte längst nicht mehr allein als Fortsetzung des Kampfes gegen den IS begreifen. Sie ist vielmehr Ausdruck einer komplexen internationalen Gleichung, in der sich die Großmächte zwischen sicherheitspolitischer Notwendigkeit und unvollständigen politischen Arrangements bewegen. In diesem Rahmen offenbart der Vergleich zwischen dem amerikanischen und dem französischen Ansatz nicht nur unterschiedliche Prioritäten, sondern auch ein tiefer liegendes Verständnis der Rolle der SDF und ihres Platzes in der künftigen Ordnung Syriens. Zugleich wird deutlich, warum der strategische Faktor die Fortdauer der internationalen Koalition selbst dann trägt, wenn Washington politische Annäherungen an die Regierung von Ahmad al-Sharaa sucht.

Die Vereinigten Staaten betrachten die Syrischen Demokratischen Kräfte als faktische Führungsmacht der Koalition nicht als einen vorübergehenden lokalen Akteur, sondern als eine unverzichtbare sicherheitspolitische Säule zur Stabilisierung einer der fragilsten Regionen des Nahen Ostens. Die amerikanische Unterstützung entstand aus einer klaren operativen Notwendigkeit: dem Bedarf an einer disziplinierten, strukturierten Kraft, die territoriale Kontrolle ausüben kann, ohne die USA in eine großangelegte direkte Militärintervention zu ziehen. Trotz der militärischen Substanz dieser Partnerschaft blieb sie jedoch stets an eine niedrige politische Obergrenze gebunden, bestimmt durch das Spannungsverhältnis zu der Türkei, die strategische Rivalität mit Russland und Iran sowie die Schwankungen der innenpolitischen Debatten in den Vereinigten Staaten.

Im Kern speist sich die amerikanische Unterstützung für die SDF weniger aus einer umfassenden politischen Überzeugung als aus dem Mangel an realistischen Alternativen. Sämtliche Versuche, offen oder verdeckt, andere Kräfte zu etablieren, die das sicherheitspolitische Vakuum in Nord- und Ostsyrien hätten füllen können, erwiesen sich als unzureichend. Die von der Türkei unterstützten Fraktionen blieben an enge Agenden gebunden, das syrische Regime ist nicht in der Lage, ohne eine neue Welle der Destabilisierung Kontrolle zurückzugewinnen, und kein anderer lokaler Akteur konnte militärische Effizienz mit internationaler Akzeptanz verbinden. In dieser Lage wurden die SDF für Washington zur unvermeidlichen, nicht zur idealen Option.

Diese Unvermeidlichkeit erklärt den scheinbaren Widerspruch zwischen der fortgesetzten militärischen Partnerschaft mit den SDF und der gleichzeitigen politischen Öffnung gegenüber der Regierung von Ahmad al-Sharaa. Die Vereinigten Staaten versuchen, die syrische Frage im Modus grauer Kompromisse zu verwalten, in denen weder ein klarer Sieg noch ein vollständiger Bruch angestrebt wird. In diesem Rahmen trennt Washington bewusst zwischen dem Pfad der territorialen Kontrolle und Terrorismusbekämpfung, in dem die SDF eine zentrale Rolle spielen, und dem Pfad politischer Annäherungen, mit dem Kommunikationskanäle zu Damaskus für mögliche künftige regionale oder internationale Verschiebungen offengehalten werden sollen.

Diese Trennung erweist sich jedoch als strukturell fragil. Politische Annäherungen an die Regierung von Ahmad al-Sharaa ändern nichts an der grundlegenden Tatsache, dass jede politische Lösung ohne eine stabile Machtbasis vor Ort zum Scheitern verurteilt ist. Genau hier liegt der strategische Wert der Syrischen Demokratischen Kräfte, nicht nur als militärischer Partner, sondern als ausgleichender Faktor, der das Entstehen neuer sicherheitspolitischer Leerräume verhindert, in denen sich extremistische Strukturen erneut formieren oder rivalisierende regionale Mächte ausbreiten könnten. In diesem Sinne ist die fortdauernde amerikanische Unterstützung für die SDF kein Widerspruch zu politischen Arrangements, sondern eine unausgesprochene Voraussetzung für deren Tragfähigkeit.

Frankreich verfolgt demgegenüber einen anderen Ansatz. Mit begrenzteren militärischen Mitteln, aber einer klareren politischen Vision betrachtet Paris die SDF nicht lediglich als Instrument zur Verwaltung einer Übergangsphase. Vielmehr sieht Frankreich in ihnen einen Bestandteil möglicher Antworten auf die ungelöste Frage der staatlichen Ordnung Syriens nach Jahren des Krieges. Dies erklärt, warum der französische Diskurs gegenüber den SDF kohärenter und weniger von taktischen Schwankungen geprägt ist als der amerikanische.

Paris ist sich bewusst, dass die internationale Koalition auf Dauer nicht bestehen kann, wenn ihr keine politische und normative Grundlage zugrunde liegt, die ihre Präsenz legitimiert. Vor diesem Hintergrund basiert die französische Unterstützung für die SDF auf der Überzeugung, dass das in Nord- und Ostsyrien entstandene Modell, trotz seiner Defizite und inneren Widersprüche, einen Schutzwall gegen die Rückkehr zentralistischer Autoritarismen und gegen die Wiederbelebung extremistischer Strömungen darstellt. Auch wenn Frankreich nicht über die Mittel verfügt, neue militärische Realitäten zu erzwingen, verleiht seine Haltung den SDF eine Form europäischer politischer Legitimität, die Paris in internationalen Foren gezielt zu stärken versucht.

Der entscheidende Faktor in dieser komplexen Konstellation bleibt die Kontinuität der internationalen Koalition selbst. Trotz ihrer geringeren Sichtbarkeit im öffentlichen Diskurs sind die Gründe für ihre Existenz keineswegs entfallen. Der IS ist als Ideologie nicht besiegt, Syrien hat keine stabile Ordnung erreicht, und die diskutierten politischen Arrangements bleiben fragmentarisch und reversibel. Unter diesen Bedingungen bilden die SDF das Rückgrat, auf das sich die Koalition stützt, um ihre fortgesetzte Präsenz sowohl gegenüber der westlichen Öffentlichkeit als auch innerhalb sicherheitspolitischer Entscheidungsprozesse zu rechtfertigen.

Ein grundlegender Rückzug von der Rolle der SDF würde nicht nur eine Verschiebung in einem lokalen Bündnis bedeuten, sondern faktisch die operative Struktur untergraben, auf der die internationale Präsenz östlich des Euphrats beruht. Diese Realität ist sowohl in Washington als auch in Paris präsent, selbst wenn sie in unterschiedlicher politischer Sprache artikuliert wird. Die anhaltende Unterstützung für die SDF spiegelt daher nicht allein eine Haltung gegenüber einem lokalen Akteur wider, sondern auch die Grenzen des gegenwärtigen internationalen Systems bei der Schaffung stabiler Alternativen in Konfliktregionen.

Am Ende stehen die Syrischen Demokratischen Kräfte an einem hochsensiblen strategischen Scheideweg. Sie werden von den Vereinigten Staaten aus Notwendigkeit unterstützt, von Frankreich aus Überzeugung begleitet und von einer internationalen Koalition getragen, die in ihnen die minimale Garantie für Stabilität in einer Zeit grauer Kompromisse sieht. Ob es den SDF gelingt, diese mehrschichtige Unterstützung in eine dauerhafte politische Position zu überführen, wird nicht nur ihre eigene Zukunft bestimmen, sondern auch die Glaubwürdigkeit der internationalen Koalition und die Fähigkeit der globalen Akteure, in Syrien vom Krisenmanagement zur tatsächlichen Lösungsfindung überzugehen.

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