Machtbalance: Das Team für Geostrategische Studien
Analytische Einleitung
Im Jahr 2025 erlebte Syrien eine der bedeutendsten strategischen Umwälzungen seiner neueren Geschichte: den vollständigen Zusammenbruch des zentralistischen Regimes, das das Land seit der Mitte des 20. Jahrhunderts regiert hatte. Dies führte zur Auflösung der staatlichen Sicherheits- und Militärapparate sowie zum Abzug der mit dem Iran verbundenen Milizen, die das ideologische und militärische Rückgrat des Regimes bildeten. Dieser Zusammenbruch war nicht das Ergebnis einer direkten militärischen Intervention von außen, sondern die Folge innerer Konflikte, politischer und militärischer Spaltungen sowie eines regionalen und internationalen Konsenses über die Unmöglichkeit, das Regime als dauerhafte Quelle von Instabilität und Chaos aufrechtzuerhalten.
Dieser Wandel vollzog sich in einem komplexen Kontext aus gesellschaftlicher Erschöpfung durch den langwierigen Krieg, ethnischen und konfessionellen Spaltungen sowie dem Überschneiden geopolitischer Interessen regionaler und internationaler Akteure auf syrischem Boden. Mit dem Abzug der iranischen Truppen und ihrer verbundenen Milizen – die als Ausdruck des schiitischen Einflusses von Teheran bis Beirut galten – begann sich das Kräfteverhältnis innerhalb Syriens zugunsten neuer Formationen zu verschieben, von denen die meisten entweder lokal verankert oder durch Regionalmächte wie die Türkei und Katar bzw. durch internationale Akteure wie die USA unterstützt werden.
In dieser Übergangsphase ist Syrien nicht länger ein zentralisierter Nationalstaat, sondern tendiert zu einem Modell fragmentierter Machtzonen, die von bewaffneten Gruppen mit unterschiedlichen ideologischen, ethnischen und konfessionellen Hintergründen kontrolliert werden. Diese neue Realität lässt sich als ein militärisch-politisches Mosaik beschreiben, in dem konkurrierende Kräfte gezwungen sind, innerhalb eines neuen Status quo zu koexistieren.
Das neue syrische Machtgefüge kennt keine einheitliche Armee, keine zentrale Autorität und keine nationale Gesamtsicht mehr. Vielmehr besteht es aus einer Vielzahl von aktiven militärischen Akteuren, die als De-facto-Machtzentren fungieren – mit eigenen Sicherheits-, Verwaltungs-, Justiz- und Wirtschaftssystemen. Wir stehen vor einem Zustand des „Post-Staates“ oder eines „multi-zentralen Staates“.
Diese Kräfte lassen sich grob in drei Hauptgruppen unterteilen:
Lokale Kräfte, die aus dem Volksaufstand oder durch Abspaltungen früherer Fraktionen entstanden sind, wie z. B. die Neue Syrische Armee oder die drusischen Fraktionen in Suwayda.
Regionale Kräfte, die direkt auf syrischem Boden aktiv sind, wie das türkische Militär, das die Oppositionsgebiete im Norden überwacht.
Internationale Kräfte, die ihre Präsenz durch begrenzte Truppen oder durch logistische und politische Unterstützung geltend machen, wie die USA durch ihre Unterstützung der SDF und der internationalen Koalition.
Hinzu kommen identitätsbasierte lokale Kräfte wie die Drusen in Suwayda, die eine unabhängige Verteidigungsmacht aufbauen konnten. Diese lehnt politische oder konfessionelle Auseinandersetzungen ab und bietet ein Modell bewaffneter Neutralität zum Schutz der lokalen Bevölkerung ohne regionale Bindung.
Um dieses sich wandelnde Kräfteverhältnis zu verstehen, bedarf es einer detaillierten Analyse der militärischen Kapazitäten, der geographischen Verteilung, der Finanzierungsquellen, der organisatorischen Struktur, der politischen Narrative und der möglichen Zukunftsperspektiven dieser Kräfte. Die militärische Gleichung in Syrien wird nicht mehr nur über Waffenüberlegenheit definiert, sondern auch über Durchhaltefähigkeit, Anpassung und lokale Legitimität.
Diese Studie ist ein Versuch, eine präzise vergleichende Analyse der militärischen Akteure im Syrien nach dem Regimekollaps zu bieten – mit dem Ziel, die Mechanismen der Machtausübung zu verstehen und die komplexen Machtverhältnisse zu entwirren, die Syriens Gegenwart prägen und seine Zukunft vorbereiten – sei es in Richtung Föderalismus, Teilung oder anhaltender Unentschiedenheit.
Die neue militärische Landschaft Syriens besteht aus sieben Hauptakteuren:
Analytische Einleitung
Im Jahr 2025 erlebte Syrien eine der bedeutendsten strategischen Umwälzungen seiner neueren Geschichte: den vollständigen Zusammenbruch des zentralistischen Regimes, das das Land seit der Mitte des 20. Jahrhunderts regiert hatte. Dies führte zur Auflösung der staatlichen Sicherheits- und Militärapparate sowie zum Abzug der mit dem Iran verbundenen Milizen, die das ideologische und militärische Rückgrat des Regimes bildeten. Dieser Zusammenbruch war nicht das Ergebnis einer direkten militärischen Intervention von außen, sondern die Folge innerer Konflikte, politischer und militärischer Spaltungen sowie eines regionalen und internationalen Konsenses über die Unmöglichkeit, das Regime als dauerhafte Quelle von Instabilität und Chaos aufrechtzuerhalten.
Dieser Wandel vollzog sich in einem komplexen Kontext aus gesellschaftlicher Erschöpfung durch den langwierigen Krieg, ethnischen und konfessionellen Spaltungen sowie dem Überschneiden geopolitischer Interessen regionaler und internationaler Akteure auf syrischem Boden. Mit dem Abzug der iranischen Truppen und ihrer verbundenen Milizen – die als Ausdruck des schiitischen Einflusses von Teheran bis Beirut galten – begann sich das Kräfteverhältnis innerhalb Syriens zugunsten neuer Formationen zu verschieben, von denen die meisten entweder lokal verankert oder durch Regionalmächte wie die Türkei und Katar bzw. durch internationale Akteure wie die USA unterstützt werden.
In dieser Übergangsphase ist Syrien nicht länger ein zentralisierter Nationalstaat, sondern tendiert zu einem Modell fragmentierter Machtzonen, die von bewaffneten Gruppen mit unterschiedlichen ideologischen, ethnischen und konfessionellen Hintergründen kontrolliert werden. Diese neue Realität lässt sich als ein militärisch-politisches Mosaik beschreiben, in dem konkurrierende Kräfte gezwungen sind, innerhalb eines neuen Status quo zu koexistieren.
Das neue syrische Machtgefüge kennt keine einheitliche Armee, keine zentrale Autorität und keine nationale Gesamtsicht mehr. Vielmehr besteht es aus einer Vielzahl von aktiven militärischen Akteuren, die als De-facto-Machtzentren fungieren – mit eigenen Sicherheits-, Verwaltungs-, Justiz- und Wirtschaftssystemen. Wir stehen vor einem Zustand des „Post-Staates“ oder eines „multi-zentralen Staates“.
Diese Kräfte lassen sich grob in drei Hauptgruppen unterteilen:
Lokale Kräfte, die aus dem Volksaufstand oder durch Abspaltungen früherer Fraktionen entstanden sind, wie z. B. die Neue Syrische Armee oder die drusischen Fraktionen in Suwayda.
Regionale Kräfte, die direkt auf syrischem Boden aktiv sind, wie das türkische Militär, das die Oppositionsgebiete im Norden überwacht.
Internationale Kräfte, die ihre Präsenz durch begrenzte Truppen oder durch logistische und politische Unterstützung geltend machen, wie die USA durch ihre Unterstützung der SDF und der internationalen Koalition.
Hinzu kommen identitätsbasierte lokale Kräfte wie die Drusen in Suwayda, die eine unabhängige Verteidigungsmacht aufbauen konnten. Diese lehnt politische oder konfessionelle Auseinandersetzungen ab und bietet ein Modell bewaffneter Neutralität zum Schutz der lokalen Bevölkerung ohne regionale Bindung.
Um dieses sich wandelnde Kräfteverhältnis zu verstehen, bedarf es einer detaillierten Analyse der militärischen Kapazitäten, der geographischen Verteilung, der Finanzierungsquellen, der organisatorischen Struktur, der politischen Narrative und der möglichen Zukunftsperspektiven dieser Kräfte. Die militärische Gleichung in Syrien wird nicht mehr nur über Waffenüberlegenheit definiert, sondern auch über Durchhaltefähigkeit, Anpassung und lokale Legitimität.
Diese Studie ist ein Versuch, eine präzise vergleichende Analyse der militärischen Akteure im Syrien nach dem Regimekollaps zu bieten – mit dem Ziel, die Mechanismen der Machtausübung zu verstehen und die komplexen Machtverhältnisse zu entwirren, die Syriens Gegenwart prägen und seine Zukunft vorbereiten – sei es in Richtung Föderalismus, Teilung oder anhaltender Unentschiedenheit.
Die neue militärische Landschaft Syriens besteht aus sieben Hauptakteuren:
1. Neue Syrische Arabische Armee (unter der Führung von Ahmad al-Sharaa)
Entstehung: Entstand nach der Abspaltung Ahmad al-Sharaas (ehemals al-Jolani) von Hay’at Tahrir al-Sham, als neue nationale Oppositionskraft.
Größe und Verbreitung: Rund 70.000 Kämpfer in Damaskus, Daraa, Homs, Hama, Quneitra und Teilen von Suwayda und Süd-Aleppo.
Fähigkeiten:
Mittlere Bewaffnung (erbeutete Panzerfahrzeuge, Artillerie)
Keine Luftwaffe
Organisierter Sicherheitsapparat
Finanzierung: Türkisch-katarisch, mit internationaler politischer Unterstützung
Stärken: Moderate Rhetorik, gute Organisation, lokale Legitimität
Herausforderungen: Potentielle Konflikte mit der SDF, Ablehnung durch Drusen, Spannungen mit säkularen Gruppen
2. Syrische Demokratische Kräfte (SDF)
Entstehung: Kurdisch-arabisches Bündnis unter YPG-Führung, mit US-Unterstützung.
Größe und Verbreitung: Ca. 100.000 Kämpfer in Hasaka, Raqqa, Ost-Deir ez-Zor, Kobani, Manbidsch.
Fähigkeiten:
Mittlere US-Bewaffnung, gepanzerte Fahrzeuge, Drohnen
Vollständige US-Luftunterstützung
Finanzierung: US-Hilfen und Öl-/Steuereinnahmen
Stärken: Disziplin, effektive Zivilverwaltung
Herausforderungen: Arabisch-kurdische Spannungen, türkische Drohungen, politische Isolation
3. Türkisch unterstützte Syrische Nationalarmee
Entstehung: Zusammenschluss syrischer Oppositionsfraktionen unter türkischer Aufsicht
Größe und Verbreitung: 45.000 Kämpfer in al-Bab, Azaz, Afrin, Tal Abyad, Ras al-Ayn – teils in Damaskus’ Verteidigungsministerium integriert
Fähigkeiten:
Leichte bis mittlere türkische Waffen, gepanzerte Fahrzeuge
Logistische und nachrichtendienstliche Unterstützung durch türkisches Militär
Finanzierung: Vollständig durch die Türkei
Stärken: Hohe Beweglichkeit, begrenzte Luftunterstützung
Herausforderungen: Schwache zentrale Führung, Fraktionschaos, Menschenrechtsverletzungen
4. Türkisches Militär in Syrien
Größe: Ca. 18.000 Soldaten
Verbreitung: Basen in Idlib, Azaz, Tal Abyad, Ras al-Ayn
Fähigkeiten: Panzer, schwere Artillerie, Bayraktar-Drohnen, Überwachungssysteme
Stärken: Luftüberlegenheit, Geheimdienstkontrolle
Herausforderungen: Sensible Interaktion mit SDF und USA, internationaler Druck
5. Internationale Koalitionskräfte unter US-Führung
Größe: Ca. 1.500 US-Soldaten + britische und französische Spezialkräfte
Verbreitung: Basen in Hasaka, Deir ez-Zor, al-Shaddadi, al-Tanf
Fähigkeiten: F-16 Kampfjets, MQ-9 Drohnen, Spezialkräfte, Satellitenaufklärung
Stärken: Technologische Überlegenheit, präzise Schläge
Herausforderungen: Begrenzte Präsenz am Boden, innenpolitischer US-Druck zum Rückzug
6. Drusische Fraktionen in Suwayda
Entstehung: Lokale Gruppen wie Männer der Würde, Anti-Terror-Kräfte, Militärrat
Größe und Verbreitung: Rund 20.000 Kämpfer in der Provinz Suwayda
Fähigkeiten:
Leichte bis mittlere Waffen, gebirgstaktische Verteidigung, starke lokale Unterstützung
Finanzierung: Rücküberweisungen von Auslandsdrusen, lokale Mittel
Führung: Lokale kollektive Führung
Stärken: Soziale Homogenität, strategische Topografie, relative Neutralität
Herausforderungen: Schwache Bewaffnung, politische Isolation, mögliche Marginalisierung bei späteren Deals mit Israe.
Vergleichstabelle
Kraft | Größe | Verbreitung | Bewaffnung | Finanzierung | Stärken | Herausforderungen |
---|---|---|---|---|---|---|
Neue Syrische Armee | 70.000 | Damaskus, Süden, Homs | Mittel | Türkei/Katar | Moderater Diskurs, gute Organisation | Konflikte mit SDF, Spannungen mit Säkularen |
SDF | 100.000 | Osten und Nordosten | US-Mittel | USA, Öl/Steuern | Zivilverwaltung, Luftunterstützung | Ethnische Spannungen, Isolation |
Nationale Armee | 45.000 | Nord-Syrien | Türkisch mittel | Türkei | Beweglichkeit, türkische Unterstützung | Fraktionswirrwarr, Menschenrechtsprobleme |
Türkisches Militär | 18.000 | Nördliche Basen | Hochtechnologie | Türkischer Staat | Geheimdienst-Kontrolle, Luftmacht | Mögliche Konflikte mit USA und SDF |
US-geführte Koalition | 1.500 | Osten Syriens | Luftüberlegenheit | US-Staat | Aufklärung, Präzision | Kaum Bodentruppen |
Drusen (Suwayda) | 20.000 | Suwayda | Leicht–mittel | Diaspora, lokal | Kohäsion, Neutralität | Politische Randstellung, schwache Bewaffnung |
Abschließende Erkenntnisse
Syrien nach dem Regimekollaps ist zwischen mehreren militärisch-politischen Projekten aufgeteilt, die jeweils eigene regionale, ethnische oder ideologische Identitäten repräsentieren.
Der Rückzug Irans hat das Machtgefüge neu geordnet und das türkisch–katarisch–amerikanische Dreieck gestärkt.
Die Neue Syrische Armee ist ein möglicher Träger eines politischen Neuanfangs – steht jedoch vor inneren und regionalen Herausforderungen.
Das Modell Suwayda illustriert den Aufstieg lokaler Verteidigungsidentitäten – ein potenzieller Weg für andere Regionen.
Eine militärische Entscheidung ist nicht absehbar – vielmehr deuten kalte Machtbalancen auf ein zukünftiges politisches Arrangement oder eine langfristige faktische Teilung hin.
Syrien nach dem Regimekollaps ist zwischen mehreren militärisch-politischen Projekten aufgeteilt, die jeweils eigene regionale, ethnische oder ideologische Identitäten repräsentieren.
Der Rückzug Irans hat das Machtgefüge neu geordnet und das türkisch–katarisch–amerikanische Dreieck gestärkt.
Die Neue Syrische Armee ist ein möglicher Träger eines politischen Neuanfangs – steht jedoch vor inneren und regionalen Herausforderungen.
Das Modell Suwayda illustriert den Aufstieg lokaler Verteidigungsidentitäten – ein potenzieller Weg für andere Regionen.
Eine militärische Entscheidung ist nicht absehbar – vielmehr deuten kalte Machtbalancen auf ein zukünftiges politisches Arrangement oder eine langfristige faktische Teilung hin.